Pride Month – Was heißt das eigentlich?

Eigentlich stehen wir für wilde Partys, harte Exzesse und “Scheiße-was-war-das-für-eine-Nacht-wo-sind-meine-Kopfschmerztabletten-ich-will-wieder-ins-Bett-aber-war-schon-geil”-Gedanken am nächsten Morgen. Für uns ist es heutzutage normal, auf eine Gay Party zu gehen, sich ausgelassen in den Armen zu liegen und vielleicht auch mit jemanden nach Hause zu gehen – oder mitzunehmen. Dass das alles vor einigen Jahren in diesem Rahmen gar nicht möglich gewesen wäre, denkt man heute nicht. Im Gegenteil, mit heute 20 oder 30 Jahren fühlt es sich normal an, auf eine Party zu gehen auf der Menschen mit nicht-heteronormativen sexuellen Orientierung zu finden sind.

Denn selbst im damals fortschrittlichen Amerika war das queere Leben alles andere als vorbildlich. Hat man sich dort als schwul, lesbisch oder transsexuell geoutet, begannen die damaligen Stigma zu wirken: Man verlor dadurch nicht selten den Job und der Rückhalt der Familie war auch nicht mehr wirklich gegeben. Denn nicht nur Vorurteile, auch das Gesetz hat den nötigen Rest gegeben: Denn gleichgeschlechtlicher Sex war verboten, egal ob anal oder oral – auch das Küssen in der Öffentlichkeit war nach dem Sodomiegesetz nicht erlaubt, genauso das Tragen von Kleidung, welches nicht dem biologischen Geschlecht entsprach. Gutaussehende Polizeibeamte haben sich auf Plätzen, Bars und auch auf öffentlichen Toiletten als schwul ausgegeben, um so andere Männer zu locken. Sobald die Männer die Polizisten dann mit nach Hause nehmen wollten oder umgekehrt, wurden sie wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet. Familien konnten andere Familienmitglieder – auch ohne deren Einverständnis – in psychatrische Anstalten schicken, da Homosexualität als psychische Krankheit galt. Unangemeldete Razzien standen in den queeren Hot Spots an der Tagesordnung.

So gab es auch im Stonewall Inn in der Christopher Street eine Razzia. Normalerweise wurden diese immer – gegen ordentlich Schmiergeld – von der Polizei selbst angekündigt und diese auch so früh wie möglich durchgeführt. In der Nacht vom 28. zum 29. Juni 1969 war das anders: Es gab dieses Mal keine Vorankündigung, nach Mitternacht kam eine Horde Polizisten in die Bar, deren Besucher damals aus der Randgruppe der Randgruppe Bestand: Queere und Trans* Latinos, Afroamerikaner, lesbische Frauen und obdachlose Jugendliche die von Zuhause nach ihrem Outing ausgestoßen worden sind, all diese waren das Publikum im Stonewall Inn. Alles verlief wie bei einer normalen Razzia zu der Zeit: Menschen, die Kleidung nicht ihres biologischen Geschlechts trugen oder sich nicht ausweisen konnten, sind verhaftet worden und wurden nach draußen gedrängt. Doch dieses Mal wurde die Polizei noch gröber als sonst, sodass sich die Gäste der Bar solidarisiert hatten um sich das nicht mehr gefallen zu lassen. Sie fingen an Steine, Trinkflaschen und andere Gegenstände nach den Polizisten zu werfen. Da sich die Bar im queeren Viertel New Yorks befand, kamen immer mehr Leute aus umliegenden Häusern auf die Straße und schlossen sich dem Widerstand an, sodass die Polizei dann den Rückzug antrat: Die “Gay Pride Culture” wurde geboren. Man wollte sich nicht mehr unterdrücken lassen, sich nicht mehr der Gewalt tatenlos aussetzen lassen.

Seitdem wird jährlich sowohl zum Gedenken als auch zum Feiern dieser Menschen der Christopher Street Day (kurz: CSD) veranstaltet in den verschiedensten Städten der Welt. Doch braucht es in der heutigen Zeit immer noch einen CSD? Wir sagen: Ja! Es hat sich bereits sehr viel getan, doch gerade in den letzten Jahren gibt es immer wieder Kehrtwenden in anderen Ländern, gerade in Europa direkt vor der Haustür: Russland und Ungarn haben “Anti-LGBTQ”-Gesetze auf dem Weg gebracht, in Polen gibt es Regionen die sich stolz zu “Anti-LGBT-Zonen” erklärt haben. Noch immer kann in Mauretanien, Nigeria, Somalia, Saudi-Arabien, Jemen, den Vereinigten Emirate, Iran, Afghanistan, Pakistan, Brunei und Katar Homosexualität zur Todesstrafe führen. Die dokumentierten “Hassverbrechen” gegen Schwule, Lesben und Non-Binary Personen in Deutschland nehmen immer mehr zu, von der Dunkelziffer wollen wir gar nicht drüber nachdenken. Allein in Bayern gab es 2021 165 gemeldete, queerfeindliche Straftaten, davon mehr als die Hälfte in München. Und 2021 hatten Clubs & Bars zum Großteil geschlossen, wer weiß wie hoch die Quote wäre wenn Corona damals keine Rolle gespielt hätte.

Der CSD ist wichtig, auch wenn sich nur eine Person ihr queerfeindliches Verhalten dadurch in Frage stellt. Auch wenn sich nur eine Person Gedanken über ihre eigene Sexualität macht. Auch wenn sich nur eine Person dadurch gestärkt fühlt und sieht: Ich bin nicht allein, es gibt viele die wie ich sind. Und das ist verdammt nochmal gut so.

Quellen:
Ann Bausum – Stonewall: Breaking out in the Fight for Gay Rights (Hörbuch): https://www.audible.de/pd/Stonewall-Hoerbuch/B00VFA6KTO?source_code=COMORPR0819150004
Queer Bielefeld – Anti LGBTQ Gesetze in den USA: https://www.bielefeld.de/sites/default/files/datei/2020/05%20Gesetzte%20USA%20.pdf
History.com – Stonewall Riots: https://www.history.com/topics/gay-rights/the-stonewall-riots
Wikipedia – Geschichte der Homosexualität in den Vereinigten Staaten: https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Homosexualit%C3%A4t_in_den_Vereinigten_Staaten#cite_note-72
Wikipedia – Chronologie der Sodomiegesetze in den Vereinigten Staaten: https://de.wikipedia.org/wiki/Chronologie_der_Sodomiegesetze_in_den_Vereinigten_Staaten#20._Jahrhundert
Friedrich Naumann Stiftung – Todesstrafe für Homosexuelle: https://www.freiheit.org/de/deutschland/todesstrafe-fuer-homosexuelle
LSVD e.V. – LGBT-Rechte Weltweit: Wo droht Todesstrafe oder Gefängnis für Homosexualität?: https://www.lsvd.de/de/ct/1245-LGBT-Rechte-weltweit

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